Frau Oberbürgermeisterin! Meine Damen und Herren!

Ich möchte den Antragstellern gar nicht absprechen, dass sie diesen nicht in aufrichtiger Sorge um den Zustand der Demokratie in der Türkei gestellt hätten. Es ist ja auch ganz nett, seien wir ehrlich, wenn Sie von der CDU Köln mit Ihrem Antrag knapp eine Woche vor der Europawahl ein bisschen  nternationalen Glanz in unsere bescheidene Hütte bringen. Aber einmal ganz ehrlich, meine Damen und Herren: Konnte, wer auch nur einigermaßen aufmerksam die Geschehnisse in den letzten Jahren in der Türkei verfolgt hat, von der jetzigen Entwicklung überrascht sein? Kann man im Jahre 2019 noch ernsthaft davon überrascht sein, dass der politische Islam, der seit Jahrzehnten weltweit auf dem Vormarsch ist,
auch vor unserer Partnerstadt Istanbul nicht Halt macht? Und gerade heute, wenige Tage vor der
Europawahl, meine Damen und Herren, wäre es da nicht endlich an der Zeit, sich einzugestehen,
dass die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei zum Scheitern verurteilt sind und auf absehbare
Frist und schleunigst abgebrochen werden sollten?
(Beifall bei der AfD)
Übrigens, meine Damen und Herren: Die Mehrheit der Bevölkerung in der EU und interessanterweise auch die Mehrheit der Bevölkerung in der Türkei lehnen den Beitrittsprozess ab. Selbst
das EU-Parlament hat im Jahre 2016 bereits ein Einfrieren der Beitrittsverhandlungen gefordert.
Das EU-Parlament! Das hindert die EU Kommission aber nicht daran, einfach munter weiterzumachen. Zwischen 2007 und 2020 werden 9 Milliarden Euro – unser Steuergeld – an  sogenannten Heranführungshilfen nach Ankara geflossen sein.

Das, meine Damen und Herren, ist ein weiterer Beleg für die Abgehobenheit des Raumschiffs in Brüssel. Ich bin mir sicher: Die Menschen in Europa werden bei der Europawahl am 26. Mai –
(Brigitta von Bülow [Bündnis 90/Die Grünen]: Hoffentlich richtig wählen und nicht so einen
Quatsch!)
– dieses Brüssel abstrafen.
Doch zurück zu unserer Partnerstadt Istanbul.
Ja, liebe CDU, die Lage dort ist bedenklich – überhaupt keine Frage. Ich fordere Sie aber als
Kommunalpolitiker auf: Richten Sie Ihren Blick doch statt an den Bosporus mal auf „KleinIstanbul“ rund um die Keupstraße. Dort haben nämlich bei der letzten Wahl 66 Prozent der
Menschen Erdoğan gewählt; in der gesamten Türkei waren es übrigens 52 Prozent und am
Bosporus noch einmal deutlich weniger. Und wir leben hier in Köln seit Jahr und Tag Tür an Tür,
Seit’ an Seit’ mit Menschen, die Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung und demokratische Kultur
trotz der Jahrzehnte, die sie hier in dieser Stadt leben, –

(Brigitta von Bülow [Bündnis 90/Die Grünen]:
Das sind aber nicht die Migranten! Das sind ganz andere!)

– offensichtlich nicht im Ansatz teilen. Meine Damen und Herren von der CDU, das wäre einmal
ein Thema für eine Aktuelle Stunde hier im Rat. Aber nein, stattdessen machen Sie sich – das ist
ja auch viel bequemer – mit dem Brustton der moralischen Überlegenheit lieber Sorgen um den
Zustand der Demokratie in unserer Partnerstadt. Und wenn, meine Damen und Herren, wir schon
über den Zustand der Demokratie in einer unserer Partnerstädte reden: Wie wäre es, wenn wir
uns selbst einmal an die eigene Nase fassen, wenn wir einmal bei uns anfangen?

(Lino Hammer [Bündnis 90/Die Grünen]: Fangen Sie einmal bei sich selbst an!)

Ich war im letzten Monat für unsere Fraktion vor dem Verwaltungsgericht Köln in Sachen Fraktionszuwendungen für die AfD im Rat der Stadt Köln, und zwar –

(Zurufe: Zum Thema!)
– dies, nachdem das Oberverwaltungsgericht in Münster festgestellt hat, dass die geltende Regelung gesamtrechtswidrig sei. Seit 2014 dauert dieser Zustand an.

(Zurufe: Zum Thema!)
– Das ist zum Thema.
Oberbürgermeisterin Henriette Reker: Würden Sie bitte zum Thema sprechen?

Stephan Boyens (AfD): Ich spreche zum Thema.
Frau Gies war bei der Verhandlung zugegen und kann bestätigen, was die Vorsitzende der Kammer wörtlich sagte. Ich zitiere:
Es kann doch nicht sein, dass die viertgrößte Stadt in Deutschland es über Jahre nicht fertigbringt, eine gesamtrechtskonforme Regelung der Fraktionszuwendungen zu beschließen.
Das, meine Damen und Herren, ist eine dicke Klatsche für Sie und sagt viel über die demokratische Kultur in dieser Stadt aus.
Bevor Sie sich über den Umgang mit der größten Oppositionspartei in der Türkei echauffieren, sollten Sie eher einmal mit der demokratischen Kultur in Köln beginnen und sich fragen, wie der Umgang mit der größten Oppositionspartei hier in Deutschland ist. Ich erinnere nur an die jüngsten Bürgerdialoge und Wahlkampfveranstaltungen, die wir hatten, die von einem hasserfüllten
linken Mob, der Antifa und sogenannten gesellschaftlichen Gruppen unmöglich gemacht wurden – und das oft mit stillschweigender Billigung der Stadt und ihrer Repräsentanten. Ein klares
Bekenntnis zu demokratischen Werten, so wie Sie es in Ihrer Resolution fordern, sieht anders
aus.
Meine Damen und Herren, leben Sie erst einmal konkrete Demokratie hier in Köln vor, bevor Sie
sich Sorgen um den Zustand der Demokratie in Istanbul machen. –

Vielen Dank. Wir als AfD lehnen Ihren Antrag ab.

 

Die Rede können Sie hier verfolgen: https://www.youtube.com/watch?v=bJhHnLl7BSI

Sehen Sie auf die Zusammenfassung der Ratssitzung: https://www.youtube.com/watch?v=fyVhIFQ24WY